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Markus, hinten Cho Oyu

Nepal Expedition 2004 - Teil 3
Markus Gschwendt

pheriche küche Seit wir den Pumo Ri bestiegen haben verbringen wir bereits vier Tage in Pheriche auf 4240m. Unsere Wäsche ist frisch gewaschen oder zumindest in kaltem Wasser naß geworden und wir sind einigermaßen erholt. Das Wetter ist stabil wie bisher, nur zieht in den tieferen Lagen jeden Nachmittag der Nebel ein, wodurch die Luft deutlich abkühlt, das Licht dämmrig erscheint und die Wärme der Gaststube mit dem Yakshitbefeuerten Ofen ruft, um den wir dann die Sessel im Kreis aufstellen...

Außerhalb von Kathmandu ein Permit für die Ama Dablam Ama Dablam zu bekommen ist so gut wie aussichtslos. Jedoch - sicher ist nichts, vor allem in einem Land wie Nepal, wo Korruption gang und gäbe ist. Wir lassen nichts unversucht, sprechen mit allen möglichen Leuten, besuchen das Basecamp um uns von der dortigen Situation ein Bild zu machen und ziehen auch eine illegale Besteigung in unsere Überlegungen mit ein. Fest steht, daß die Zeit knapp wird und wir eine Entscheidung treffen müssen. Keine Ahnung, wie lange das gute Wetter noch hält. Wetterbericht gibt es hier auch keinen. Flo ist noch an der einen oder anderen Kajaktour interessiert und tendiert deswegen dazu, bald abzusteigen, Paul hat seinen Rückflug nach England eine Woche vor uns gebucht. Somit stehe ich etwas in der Mitte - kajakfahren oder noch einen anderen Berg besteigen? Da kommt Peter, der Arzt der Himalayan Clinic, über beide Ohren grinsend, bei der Türe herein und berichtet, unser Mann sei da, Gerry Scott, der Leiter einer amerikanischen Ama Dablam Expedition. Wir werden hellhörig, gestern sind zwei seiner Expeditionsmitglieder aus gesundheitlichen Gründen mit dem Helicopter ausgeflogen worden und wir könnten an deren Stelle den Berg besteigen. Wenig später steht der Amerikaner selbst vor uns. Am nächsten Morgen werden wir uns einig, gegen einen angemessenen Geldbetrag will er die Namen auf seinem Gruppenpermit ändern und wir sind dabei.

Der kleine Ort bietet nicht viel Gelegenheit zum Einkaufen, trotzdem bekommen wir alles, was wir für acht Tage brauchen, länger sollte die Besteigung nicht dauern. Nudeln, Thunfisch, Fertiggerichte, Müsliriegel. Essen Vom Lodgebesitzer bekommen wir Tsampa Porridge für's Frühstück geschenkt, das ist eine Art Mehl, vermutlich Malzmehl, das mit heißem Wasser zubereitet wird und an Grießbrei erinnert. packen Zwei Yaks tragen unser Gepäck ins Basecamp. Um wegen einer Bachquerung nicht unnötig viele Höhenmeter bis zur nächsten Ortschaft absteigen zu müssen, versuchen wir unser Glück weiter oben und sind nach einigem Suchen auch erfolgreich. Bachquerung Über braune, verdorrte Grashänge, durch verfallene Siedlungen und steinige Hänge führt der Weg zum Lager, BC1 wo bereits die Gruppe von Gerry, sowie koreanische Bergsteiger ihre Zelte aufgeschlagen haben. Die Yaks mit unseren Packsäcken sind ebenfalls hier. Nachdem unsere Zelte stehen, verzehren wir die Erdäpfel, die wir ebenfalls in der letzten Herberge geschenkt bekommen haben, verfeinert mit Thunfisch und Curry. Die Koreaner sind recht luxuriös unterwegs, ihr mit Benzin betriebener Stromgenerator läßt uns einige Zeit wach liegen.

Lange bevor die ersten Sonnenstrahlen unser Zelt treffen sind die Ersten auf und unterwegs Richtung Hochlager. Wir stehen mehr auf die gemütliche Variante. Alles Material, welches wir nicht für die Tour benötigen, deponieren wir bei Gerrys Küchenteam, bevor wir uns auf den Weg machen. Der Weg ist lange - ewig lange, die Rucksäcke schwer. Haben wir wirklich soviel mehr mit als am Pumo Ri? Zwar tragen wir nur ein kurzes Halbseil anstatt zweier 55m Zwillingsseile mit, dafür aber die komplette Campausstattung und Essen für fünf Tage. Außerdem transportieren wir diesmal alles auf einmal, um nicht doppelt gehen zu müssen und Zeit zu verlieren. Die alten Gletschermoränen scheinen kein Ende zu nehmen. Ist eine erklommen, kommt nach einem kurzen flachen Stück schon die nächste, die genauso wie die vorhergehende über einen schmalen, sandigen Pfad erklommen wird, der sich um die herumliegenden, rundgeschliffenen Felsblöcke windet. Immer öfter bleibe ich stehen, um meinem Rücken eine kurze Erholungsphase zu gönnen und zu trinken oder mit einem Schokoriegel meine Muskeln bei Laune zu halten. Endlich, der Moränengrat ist bezwungen, dahinter liegt eine riesige Schutthalde. Von der Weite sehen die Steine niedlich aus, das geschulte Auge läßt aber vermuten, daß die Dinger wohl Boulderblöcke mit mehreren Metern Durchmesser sind.

Paul und Flo haben die beiden Zelte im ABC auf 5000m aufgestellt. ABC1 Zwischen den Felsen finden wir etwas Eis für Trinkwasser und Essen. Zum Weitergehen in das erste Hochlager, wie wir eigentlich geplant hätten, sind wir zu müde und die Uhrzeit zu fortgeschritten. Beim Kochen wärmen uns die letzten Sonnenstrahlen, bevor der Nebel das Tal heraufzieht. die Sonne den Graten im Südwesten langsam entlangwandert und schließlich vollkommen verschwindet.

Zum Ausgleich ist die folgende Tagesetappe kurz. Über die meterhohen Felsklötze arbeiten wir uns mühevoll höher, immer wieder in dem unübersichtlichen Gelände den Weg suchend. Hin und wieder ein Steinmann, ein von der ultravioletten Strahlung ausgebleichtes Fähnchen oder ein Schuhabdruck in einem Schneerest sagen uns, daß wir richtig sind. Das Tagesziel ist, mit den bunt leuchtenden Zelten markiert, immer klar zu erkennen. Nach dem Felsirrgarten folgt eine Plattenzone. Weg zum HC1 Glatte Platten, meist flach genug, um ohne Hilfe der vorhandenen Fixseile weiterzukommen, ein absoluter Genuß nach den letzen Höhenmetern. Schnell sind wir darüber hinweg und kurz später im Lager Eins. Wir hätten Chancen bis ins Lager Zwei vorzustoßen, beschließen aber, hier zu bleiben und auszuruhen. Später kommen zwei Nepali von oben und Gerry mit zwei seiner Gäste vom Basecamp mit leichtem Gepäck, deren Zelte und Essen wurde bereits, wie bei allen organisierten Expeditionen üblich, in den Tagen zuvor von Hochträgern heraufgebracht, die sich auch um die Seile und Fixpunkte kümmern. HC1

Die Nacht bringt nichts Gutes, heftiger Wind und Schneefall lassen uns in einer Winterlandschaft erwachen. Der Grat ins nächste Camp erscheint uns zu ausgesetzt, um bei diesem Wetter weiterzugehen. Tagsüber läßt der Wind etwas nach, das Schneetreiben wird schwächer, nur die Sonne läßt sich nicht blicken. Lange Diskussionen im Zelt. Wie lange wird das Schlechtwetter anhalten? Schnee im HC1 Wie lange kommen wir mit unseren Essensvorräten aus? Wie lange haben wir Zeit um rechtzeitig in Lukla zu sein und den Flug nach Kathmandu zu erreichen? Wie lange reicht das Gas zum Schneeschmelzen und Kochen? Gerry hat wegen der krankheitsbedingten Ausfälle zuviel Essen in den Hochlagern und bietet uns dieses an, Gas sollte auch kein Problem darstellen. Bleibt nur noch zu hoffen, daß das Wetter genauso schnell besser wird wie es schlechter geworden ist und der frisch gefallene Schnee ein Weiterkommen nicht unmöglich oder wegen Lawinengefahr zu gefährlich macht. Wir können nichts anderes tun als abwarten - und Tee trinken.

Der folgende Morgen bricht an und wir trauen unseren Augen abermals nicht, einige Zentimeter frischgefallener Schnee glitzern und funkeln in den Sonnenstrahlen eines perfekten Tages. Der Himmel dunkelblau, die Ama Dablam in ein frisches weißes Kleid gehüllt.Wir verlieren keine Zeit und packen. Weg zum HC2 Die Amerikaner gehen vor uns weg, stehen allerdings kurz später wieder im Lager und meinen, den Verhältnissen nicht gewachsen zu sein. Die anderen von Scotts Team, die den Schlechtwettertag im oberen Lager verbracht haben, lassen über Funk wissen, daß sie zum Gipfel unterwegs sind. Wir lassen uns nicht abschrecken und beginnen, uns einen Pfad durch das unverspurte Weiß zu bahnen. Nach kurzer Querung unterhalb des Grates beginnt das Fixseil, das ohne wesentliche Unterbrechungsstellen von hier bis zum Gipfel führt. Die Steighilfe als Sicherung ins Seil eingehängt, überwinden wir kletternd Felsblöcke, queren glatte Platten, Schneefelder, durchsteigen Rinnen und tänzeln über ausgesetzte Gratpassagen. Weg zum HC2 Den Höhepunkt stellt wohl eine rund fünfzehn Meter hohe Felswand dar, die ohne Seilhilfe mit UIAA 6 bewertet wird. Selbst mit Hilfe der vielen herabhängenden Seile ist die senkrechte Platte mit abschließendem Überhang eine anstrengende Herausforderung. Flo, der zum ersten Mal mit einer Steigklemme unterwegs ist, lernt unter Fluchen und Schnaufen auch damit zurechtzukommen und sich wie eine Raupe auf einem seidenen Faden fortzubewegen. Weg zum HC2 Paul beschwert sich während seines Kampfes lediglich lautstark und ausführlich mittels mäßig gesellschaftsfähiger Ausdrücke darüber, daß gerade hier dynamische Seile hängen und nicht statische wie in der restlichen Route. Der Jojoeffekt ist kräfteraubend und ich bekomme kaum Luft, als ich nach getaner Arbeit am Standplatz ankomme, der nur durch einen kurzen Grat vom, auf einem ausgesetzten Felsturm gelegenen, Camp getrennt ist. Viel Platz bietet der kleine auf 6000m angelegte Zeltplatz nicht und die besten Plattformen sind natürlich bereits vergeben. HC2 Pauls kleines Zelt findet problemlos Platz, die grüne Kuppel von Flo nicht. Das quadratische Innenzelt steht gerade noch auf festem Boden und aufgeschlichteten Steinen, während die Stange der einen Abside nur zur Hälfte zusammengesteckt an Felsen ansteht, aber die andere Seite über einen mehr als einhundert Meter tiefen Abgrund hinausragt. Wir versuchen das GLanze positiv zu sehen und brauchen für dringende Geschäfte wenigstens das Zelt nicht zu verlassen. Gekocht wird aus Platzgründen in unserem Zelt, die Fertignahrung der Amis ist eine willkommene Abwechslung und wir haben jetzt mehr als genug davon. Spät kommt schließlich die Gipfelgruppe zurück, nur ein Teil war erfolgreich, der Rest ist immerhin bis auf 6300m vorgestoßen. Von den Strapazen des Tages gezeichnet, berichten sie kurz über gute Bedingungen, bevor sie ihre Kocher anwerfen und Ruhe einkehrt.

Der Aufbruch am Gipfeltag erfolgt bei besten Voraussetzungen. Der Felsaufbau neben dem Camp ist schnell umrundet. Mit Steigeisen an den Schuhen uberwinden wir im Schatten gelegene Eis- und Felsrinnen, Gipfeltag bis wir wieder auf einem sonnigen Firngrat stehen. Dieser weist einzelne, teils überhängende Unterbrechungsstellen auf, wir folgen ihm bis ins Lager Drei auf 6300m. Gipfeltag Da wir bereits von unseren vorherigen Touren ausgiebig akklimatisiert sind, lassen wir diese Nächtigungsmöglichkeit aus und bezwingen nach einer Pause einen 45° Hang neben dem markanten Hängegletscher, danach folgt eine kurze Querung über Blankeis und eine Firnrinne auf einen Absatz. Wieder sind die letzten 200m anstrengend, die Gedanken kreisen um das Warum, obwohl ich genau weiß, daß ich beim Abstieg schon an den nächsten Berg denken werde. Warum stehe ich wieder einmal auf einem Berg, immer wieder das gleiche Spiel, ist es eine Sucht oder das Ausreizen des für mich Machbaren? Wo ist die Grenze? Weiter setze ich monoton einen Fuß vor den anderen, mit jedem Schritt 25cm Höhengewinn... Ein von unten schlecht ausnehmbarer Grat inmitten des Gipfelschneefeldes sowie Rinnen führen schließlich mit gut 40° Neigung zum höchsten Gipfel Gipfel Punkt auf 6865m.

Beim Abseilen an den vorhandenen Seilen ist Vorsicht geboten. Die Seile sind zu unserer Verwunderung in erstaunlich gutem Zustand, die als Anker dienenden Aluprofile finden jedoch oft wenig Halt in dem lockeren, körnigen Firn. Tatsächlich ertappe ich mich nach wenigen Minuten dabei, mir über das nächste mögliche Ziel Gedanken zu machen. Gerade erst den Gipfel verlassen, ja, noch nicht einmal die halbe Reise hinter mir, die Anstrengung des Aufstieges noch spürbar, denke ich schon wieder an Routen, die mir sicher nicht weniger abverlangen werden, vielleicht eine noch größere Herausforderung darstellen. Plötzlich gibt der Schnee unter Florians Füßen nach, er beginnt zu rutschen. Während er zur Seite pendelt, gibt die Verankerung neben mir nach - das Aluminiumprofil wird aus dem Schnee gerissen - er rutscht weiter auf eine Spalte zu - das nach oben führende Seil beginnt sich zu spannen - ich werde ebenfalls mitgezogen. Aus meinen Gedanken gerissen, auf den folgenden Ruck bereits gefaßt, versuche ich den Sturz zu halten und kann ihn zumindest soweit abbremsen, daß der Firnanker oberhalb hält, den Paul geistesgegenwärtig zusätzlich mit seinem Körpergewicht in den Schnee preßt. Flo sucht neuen Boden zum Stehen und quert vorsichtig dem unteren Spaltenrand entlang zum Absatz. Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir Lager Drei und zuletzt unsere Zelte, in denen wir trotz gerechtfertigter Müdigkeit noch ausgiebig kochen und lange plaudern.

Abstieg Beim weiteren Abstieg kommen uns etliche Koreaner und deren Guides entgegen, im Hochlager Eins stehen ein paar neue Zelte von Amerikanern und auf Höhe des vorgeschobenen Basislagers treffen wir Südtiroler, die berichten, daß im Basecamp momentan ein Laisonofficer ist. Ama Dablam Das bedeutet für uns beim Eintreffen im Basislager Probleme, da Gerry Scott's Gruppe bereits abgereist ist und der Beamte sich nicht mit unserer Aussage, auf dem Permit der Gruppe aus Colorado zu stehen, zufrieden gibt. Wir müssen unsere Namen angeben, die Reisepässe behaupten wir in Lukla gelassen zu haben. Bei den Köchen einer anderen Expedition bekommen wir unser deponiertes Gepäck und gehen mit drei Trägern, die wir kurzfristig engagieren können, bis Pengboche, wo wir bei Einbruch der Dunkelheit ankommen. Am nächsten Tag marschieren wir verärgert über Gerry und verunsichert wegen dem Officer nach Namche Bazaar, wo wir wieder auf die Scott-Gruppe treffen und der Expeditionsleiter zu der Geschichte meint: “I couldn't set your names on the Permit. Maybe you are in serious troubles.” und uns unverzüglich unser Geld zurückerstattet. Wir haben zwar unser Geld wieder, unsere Situation ist jedoch nicht besser geworden. Wir wollen so schnell wie möglich das Land verlassen, bevor der Laisonofficer die Behörden in Kathmandu verständigen kann und wir vielleicht in Nepal festsitzen.

Über Nacht fällt Schnee, Namche Bazaar ich komme mir vor wie bei einem Weihnachtsspaziergang im Wienerwald. Wir verlassen Namche Bazaar und einen Tag später mit dem Flugzeug Lukla. Zurück in der Hauptstadt Kathmandu buchen Flo und ich unseren Flug nach Bangkok um, wir wollen eine Woche früher als geplant aus Nepal ausreisen. Doch da fangen die Schwierigkeiten erst so richtig an. Gerry und der Manager der nepalesischen Trekkingagentur, über die er die Tour gebucht hat, suchen uns im Hotel Horizon auf, Kathmandu um uns mitzuteilen: “You are in big troubles with the Immigration. But we can help you.” Angeblich erhält die Agentur wegen unserer Besteigung 2000USD Garbagedeposit nicht zurück, jenen Betrag, der von jeder Expedition hinterlegt werden muß, damit sichergestellt wird, daß der Müll wieder ins Tal mitgenommen wird. Wenn wir 2000USD an die Agentur bezahlen, will deren Laisonofficer von weiteren Schritten Abstand nehmen und wir können ungehindert ausreisen. Wem dürfen wir uns anvertrauen, wem über die Geschichte berichtenohne noch mehr Probleme zu bekommen? Wie können wir mehr über die tatsächliche Situation herausfinden ohne daß Informationen in falsche Hände gelangen. Kathmandu Jeder könnte unser Freund, aber genauso gut unser Feind sein. Nach drei Tagen und einigen längeren Diskussion einigen wir uns auf 500USD pro Person, das restliche Viertel der Gesamtsumme übernimmt Scott. Nach unserer Ausreise erfahren wir von Liz Hawley, einer Reporterin, die über alle Besteigungen im Himalaya peinlich genau Buch führt und auch alles weiß, daß wir wohl von der Agentur ausgenommen worden sind, da im Ministry of Tourism keine genaueren Daten über uns vorliegen und der Beamte vom Basislager glaubt, wir hätten ihm falsche Namen gegeben und keine weitere Nachforschungen anstellen wird. Somit war die Besteigung zwar illegal, jedoch um zumindest 150USD billiger als ein offizielles Permit.