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Markus, hinten Cho Oyu

Alaska Expedition 2005 - Bericht
Markus Gschwendt

Nach über 45 Stunden in Flugzeugen und Flughäfen stehe ich endlich in Alaska. Fairbanks, 18. Mai, Mitternacht, etwas planlos, dafür aber mit jeder Menge Gepäck. Schließlich trage ich einen Rucksack, einen großen schweren Packsack und ein Paar Skier im nächtlichen Regen zur nächsten Straßenkreuzung und hoffe, dass ich von einem netten Autofahrer nach Talkeetna mitgenommen werde. Tatsächlich schaffe ich die Strecke von mehreren hundert Kilometern bis zum Morgen und kann gleich im Roadhouse meinen Magen mit einem megagroßen Frühstück besänftigen.

Talkeetna besteht hauptsächlich aus Pubs, Hotels und einem kleinen Flugplatz, von wo aus Rundflüge über die Denali-Range unternommen werden können und die Bergsteiger per Flugzeug in ihr Abenteuer starten. Ich treffe wie verabredet Rosemarie und Josh, zwei Amerikaner, die mich auf meinem Weg zum höchsten Gipfel Nordamerikas begleiten wollen. Wir besorgen einige Kleinigkeiten, checken bei der Verwaltung des "Denali Nationalpark" ein, packen und genießen noch ein gemütliches Abendessen.

Denali heißt "the high one" und ist der athabaskisch-indianische Name des Mt. McKinley. Im Vorfeld ist für diesen 6000er nicht viel zu tun. Einige Formulare für ein Permit sind an das Nationalparkbüro zu senden und ein Briefing in der Rangerstation ist zu absolvieren - das dient hauptsächlich zur Aufklärung der oft unerfahrenen Berggäste. Weiters bekommen wir einige biologisch abbaubare Plastiksäcke zum Sammeln unserer Ausscheidungen, welche dann in markierte Gletscherspalten zu entsorgen sind. Für das Hochlager auf 17000ft/5200m erhalten wir eine runde Box für diesen Zweck, die wieder ins Tal mitzubringen ist, da in diesem Camp keine Spalten zur Entsorgung vorhanden sind. Um die Lager möglichst rein zu halten, darf auch nur an markierten Stellen uriniert werden.

Zwei Tage später ist es soweit: wir wiegen unser Gepäck, verladen die insgesamt mehr als 150kg in eine fünfsitzige Beaver und verlassen für das nächste Monat das gerade erst aus dem Schnee erwachte Grün. Im Kahiltna Basecamp neben dem Gletscherairport angekommen, werden uns von den hier stationierten Rangern gegen zuvor gekaufte Gutscheine volle Treibstoffkanister für unsere Benzinkocher ausgehändigt. Schlitten in Form von einfachen Plastikbobs stehen für unser Gepäck zur Verfügung. Mit 20kg am Rücken und gut 30kg am Schlitten beginnen wir bei bedecktem Himmel und Nebel, aber gut sichtbarer Spur, unseren Marsch über den vorerst flachen Gletscher zum ersten Lager auf 7600ft/2300m. Das Nachziehen der Lasten funktioniert besser als erwartet.

Die Geschwister sind mit Schneeschuhen unterwegs. Ich habe kurze Skier mitgebracht, die einen bedeutenden Geschwindigkeitsvorteil bringen, später jedoch auch den Missmut der anderen, da ich bei derart guten Bedingungen lieber mein Tempo ohne Seil gehen würde.

Das Wetter wird schlechter und wir erreichen nach drei Tagen und einem Zwischenlager auf 9.600ft/2.900m das nächste größere Lager auf 11000ft/3350m.

Einen Tag genießen wir das sonnige Wetter, während der wärmsten Tageszeit nur mit der Unterwäsche bekleidet. Den Nachmittag nütze ich, indem ich den Schlitten einmal zum Rodeln am sogenannten "Motorcycle Hill" ausprobiere. Ein Riesenspaß! Dann folgt ein windiger Arbeitstag. Gemeinsam bringen wir, diesmal ohne Ski oder Schneeschuhe, Ausrüstung und Essen ins Depot auf 13500ft/4100m, das sich knapp oberhalb des "Windy Corner" befindet, der im Übrigen seinem Namen gerecht wird. Der Wind ist eisig, die feste Spur oft verblasen und im Nebel schwer zu finden. Jeder Schritt neben die Spur kostet Kraft. Einige Male überlegen wir, unsere Rucksäcke einzugraben und umzukehren, doch wir halten durch. Am Rückweg sind die Bedingungen etwas besser.

Am folgenden Tag brechen wir das 11000ft Lager ab, steigen nochmals den beschwerlichen "Motorcycle Hill" empor, gehen weiter zum "Windy Corner". Meine Begleiter entfachen eine Diskussion und wollen unbedingt, dass ich statt meiner Skier hier Steigeisen verwende. Während ich verbal angetriebeLeichtteigeisen auf meine globigen Expeditionsbergschuhe. Kurz später sind wir am Depot vorbei und suchen uns im "Medical Camp", in dem Arzt und Ranger stationiert sind, einen netten Platz zwischen vielen anderen Zelten. Hier auf 14200ft/4300m wollen wir uns an die Höhe gewöhnen, Material vom Depot nachholen und weiter in das nächste Lager auf 17200ft/5250m vorschieben.

Im Camp sind meist über 100 Bergsteiger aus allen Ländern der Welt und jedes Team hat einen Expeditionsnamen, der oft recht lustig ist. Wir sind die "Austricana", dann gibts z.B. noch: "Holy Cow", "Honymoon is over baby", "Lets get it done"... Für viele ist das der erste größere Berg überhaupt und sie müssen erkennen, dass diesr kein guter Einstieg ins Bergsteigen ist. Viele geben schließlich auf. Wahrscheinlich kommen von der mangelnden Erfahrung die Gerüchte über den kältesten Berg der Erde, schlechtes Wetter und schlechte Verhältnisse.

Für mich wendet sich das Blatt und nach weiteren Unstimmigkeiten und darauf folgenden Diskussionen ziehen meine Partner ab. Ob man mit mir tatsächlich nicht bergsteigen kann und ich das Team in Gefahr bringe, oder die ungewohnte kalte eintönig weiße Umgebung und die Höhe sie abschrecken, oder ob sie vielleicht wegen Joshs Job früher als geplant zurück sein müssen, sei dahingestellt. Außerdem sind die Luftschichtung bzw. die Isobarenabstände in Polnähe kleiner, wodurch die Höhe früher Wirkung zeigt. Deshalb wird die Gipfelhöhe des Denali gerne mit den höheren 6000ern in Nepal verglichen.

In der Zwischenzeit war ich im letzten Hochlager Essen deponieren und habe einige nette Leute kennengelernt. Von absteigenden Teams bekomme ich jede Menge gutes Essen geschenkt, keiner will unnötig Gewicht hinuntertragen. Ich überlege, mich einem anderen Team anzuschließen. Das 4-Personen Zelt sowie Koch- und Schlafequipment alleine in einem Zug auf 5250m zu bringen ist illusorisch. Die Idee, den Gipfel im Alleingang zu erreichen, festigt sich zunehmend in mir. Etwa 1900 Höhenmeter sind im Aufstieg zu bewältigen. Am 2. Juni, um 6:30 koche ich vom Schlafsack aus Frühstück: Oatmeal und Kakao. Der Trinksack wird mit heißem Powergetränk befüllt, Müsliriegel, Daunenwäsche, Biwaksack und Reservehandschuhe im sonst leeren Rucksack verstaut.

Zuerst geht es über die knapp 45° steile "Headwall", wo ich etliche an den Fixseilen hängende bzw. wartende Aufsteiger überholen kann, indem ich mich frei mit zwei Eisgeräten und Steigeisen einige Meter neben der Menschenkette emporarbeite, dann der Felsgrat bis ins Lager, wo mich Brad und Tim aus Fairbanks freudig begrüßen und mit einem warmen Mittagessen aufwarten.

Die Querung einer abschüssigen Flanke führt zum "Denali Pass". Vorhandene Firnanker erleichtern Seilschaften, die sonst schwierige Absicherung, mit etwas Vorsicht und entsprechender Erfahrung stellt die Passage jedoch kein Problem dar. Ab dem Pass spüre ich die zunehmende Ermüdung und die große Höhe. Gipfelsieger, die im letzten Lager gestartet sind, kommen mir entgegen und muntern mit anspornenden Worten auf. Ich quere das "Footballfield", wo von Süden die Anstiege von der Westrib und vom Messner-Colouir dazustoßen, zwischen mir und dem Gipfelgrat liegt der "Pig Hill", der Name kommt nicht von ungefähr... Die letzten Leute kommen vom Gipfel herab, es wird zunehmend windiger und kälter. Ich ziehe Daunenwäsche an - nun bin ich allein, der Schnee ist weich und zerspurt. Langsam quäle ich mich über den steilen Hang dem Gipfelgrat entgegen, immer wieder muss ich anhalten und eine kurze Pause einlegen. Ich versuche, einen Rhythmus zu finden. Schließlich stehe ich am Grat. Es ist bereits 22:00, noch 80 Höhenmeter zum Gipfel und die Sonne am Horizont. Nach einer kurzen Fotopause überwinde ich nochmals meine Müdigkeit und setze auf dem schmalen Grat einen Fuß vor den anderen. Eine Stunde später stehe ich am Gipfel. Weit und breit kein höherer Berg, kein Mensch, ich habs geschafft, ich bin am Ziel. Nach ein paar Fotos und Videoaufnahmen muss ich an den Abstieg denken, der Gipfel ist erreicht, aber das ist nicht das Ende.

Bis zum Denali Pass ist das Gelände leicht, nur die Müdigkeit macht mir zu schaffen. Immer wieder überlege ich, sitzen zu bleiben, und bin bei den kurzen Pausen knapp am Einschlafen. Die Querung zum Lager ist nicht mehr so einfach wie im Aufstieg, der Schnee ist weicher und rutscht oft unter meinen Füßen weg, meine Konzentrationsfähigkeit ist enorm beeinträchtigt und ich will eigentlich nur mehr schlafen. Die Sonne hat sich endgültig hinterm Horizont versteckt und die Gletscherlandschaft ist in ein düsteres Licht getaucht. Ich finde ein leerstehendes Iglu, das Schutz vor dem kalten Wind bietet und beschließe, ein paar Stunden zu bleiben. Ich versuche zu schlafen. Viel Komfort ist nicht vorhanden: der Rucksack als Unterlage, alles Gewand am Körper und der Biwaksack als Decke. Die vom Wiener Daunenspezialisten Gärtner speziell gefertigten Daunensachen bewähren sich. Zum Frühstück bekomme ich jede Menge Gratulationen zum Gipfelerfolg und heißen Kaffee. Dann steige ich ab.

Beim Zelt angekommen, finde ich Unmengen an neuen Nahrungsmitteln, die mir Brad und Tim zurückgelassen haben, und deren Adresse in Fairbanks, um sie vor dem Abflug besuchen zu können.

Der Gipfelsieg ist schneller gekommen als erwartet und ich habe jede Menge Zeit. Ich überlege zu bleiben und eine andere Route zu versuchen. Das Wetter schlägt kurzfristig um und bringt viel Neuschnee. Ein Alleingang auf der Westrib wird zu gefährlich und im Messner-Colouir geht über 1500m eine mächtige Lawine ab, deren Ausläufer noch als Schneesturm durch unser Lager fegen.

Ein letztes Mal gehe ich ins obere Lager, um das Depot aufzulösen, und eine Rinne, den extrem engen und steilen "Rescue Gully", im knietiefen Pulver abzufahren. Der Abschied fällt schwer, auch ich versuche noch Gewicht in Form von Lebensmitteln und Treibstoff an andere Expeditionen loszuwerden. Trotzdem kann ich den Rucksack kaum heben und Skifahren damit ist fast unmöglich. Viele Dinge, die ursprünglich auf drei Personen aufgeteilt waren, müssen nun von mir allein ins Tal gebracht werden. Zusätzlich sind am Weg noch zwei Depots aufzulösen und das zusätzliche Material am Schlitten nachzuziehen, der auf unebenen oder abschüssigen Strecken oft umfällt oder gar zu rollen beginnt, die Leinen verdrillt und mich an steileren Stellen überholt. Spät erreiche ich das Basislager am oft liebevoll "Kahiltna International Airport" genannten Airstrip. Einige Tage vergehen, bevor ich einchecke und mich von einer Cessna wieder mit in die Zivilisation nehmen lasse, wo bereits der Sommer Einzug gehalten hat.